Großstadtverkehr - Erinnerungen an Schilda - Wie Ideologie gegen Vernunft siegt

Großstadtverkehr

Erinnerungen an Schilda
Wie Ideologie gegen Vernunft siegt
(Erschienen im Bayernkurier)

München zeichnete sich Anfang der 90er Jahre durch verfehlte Verkehrspolitik aus Stolperschwel-len, erzwungenen Fahrradwegen und fehlenden Tunnels am Mittleren Ring aus. Gleichermaßen kurzsichtige wie undurchdachte Ideen der Münch-ner Oberbürgermeister, die sich jetzt als drücken-des Erbe der Verkehrssituation erweisen. Zudem wurde unendlich lange der neue Flughafen verhin-dert und als zu groß abgetan, inzwischen muß man selbst im Rot/grünen Rathaus eingestehen, daß die Kapazität bereits jetzt nicht mehr ausreichend ist und Erweiterungen dringend erforderlich sind. Der ungewollte Flughafen hat sich überdies zum Wirt-schafts- und Arbeitsplatzwunder für den Münchner Norden erwiesen, Früchte, mit denen man sich jetzt gerne schmückt. Vorhergesehen hat dies jedoch nur der Mann, dessen Name der Airport heute trägt.

Eine moderne Großstadt darf die Mobilität nicht verteufeln: Mobilität ist Leben, Chance für Arbeit und Freizeit, für Kommunikation und Entfaltung. Die Politik muß dem Bedürfnis der Menschen nach Mo-bilität Rechnung tragen. Die ideologische Diffamie-rung der Mobilität durch Rot/Grün in München ist ein Akt der Bevormundung der Bürger.
München braucht zukunftsorientierte, im internatio-nalen Bereich konkurrenzfähige Verkehrslösungen, die den Anforderungen an eine moderne und mo-bile Gesellschaft gerecht werden und keine weite-ren ideologisch motivierten Feldversuche. Um für das weiter ansteigende Mobilitätsbedürfnis vorbe-reitet zu sein, ist es wichtig, eine sinnvolle Verzah-nung aller Verkehrsmittel anzustreben, ohne durch einseitige weltanschauliche Beschränkungen von vornherein limitiert zu sein. Dabei ist jedem Ver-kehrsträger die Rolle zuzuweisen, die er am besten erfüllen kann.

Im Gegensatz dazu lesen sich die Schandtaten der Stadt München jedoch wie die Highlights der Schildbürgerstreiche:
Die neueste bizarre Idee der Stadt: Besucher der Messe Bauma sollen auf dem Gelände der alten Messe an der Theresienwiese parken und dann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Neuen Messe nach Riem fahren. Ob Auswärtige nun extra durch den Innenstadtverkehr geführt werden sollen um dann wieder an den Stadtrand zu tingeln oder ob Einheimische mit dem Auto bis zur Alten Messe fahren sollen um dann noch umzusteigen, scheint für die Verantwortlichen keine ernsthafte Frage zu sein. Tatsächlich ist die Frage wohl eher, welche Alternative den größeren Irrwitz darstellt.
Irrwitz hat aber eine Tradition in München. Ein Bei-spiel: Der Stadtrat hat mit rot-grüner Mehrheit am zentralen Wiesn-Samstag am 23. September einen autofreien Samstag beschlossen. An dem Tag, an dem München und insbesondere der ÖPNV aus allen Nähten platzt, sollen die Bürger auf ihr Auto verzichten?
Ebenfalls kaum zu glauben aber wahr: Die Stadt wollte ein ganzes Stadtviertel mit dem Konzept Wohnen ohne Auto bauen. Leider merkte man ei-nes Tages, daß zwar alle heutigen Nutzer vor ihrem Einzug dem eigenen Auto abschworen, aber umge-hend nach dem Einzug ein Auto anschafften. Heute fehlen nun leider die Parkplätze. Die LH sagt mitt-lerweile selbst, daß der ideologisch motivierte Feld-versuch wohl gescheitert ist.
Ein vierter Streich: Die Situation am Wetterstein-platz in Harlaching. Die Parkgarage, die für einen zweistelligen Millionenbetrag an Steuergeldern er-richtet wurde und eine ideale Umsteigemöglichkeit auf den öffentlichen Personennahverkehr bieten würde, wird nicht genutzt. Die Landeshauptstadt hat sich entschieden, die notwendigen Zufahrten zur gebauten Tiefgarage nicht zu bauen. Begründung: Es würde dann ein Anreiz bestehen, mit dem Auto bis dorthin zu fahren, was aus Sicht von Rot/Grün nicht sein darf.
Vielleicht will man aber auch gar keine weiteren Umsteiger auf den ÖPNV. Nur so läßt sich doch er-klären, daß der letzte glorreiche Vorschlag eine 2 DM Gebühr für P+R Parkplätze ist. 2 DM extra zu den Fahrpreisen, das bedeutet, daß die Hauptnut-zer, Berufspendler von außerhalb, eine versteckte Erhöhung Ihrer Monatskarte hinnehmen sollen. Bei 22 Arbeitstagen im Monat immerhin stolze 44 Mark, und das nachdem der MVV erst vor kurzem die Preise (bei gleichzeitiger Leistungsreduktion) erhöht hat. Wie ernst es der rot/grünen Stadtregierung mit dem Umstieg vom Auto auf den ÖPNV ist, sieht man auch daran, daß der P+R-Platz in Thalkirchen nun aufgelöst werden soll.
Die eingeführte Stellplatzablöse entbehrt überdies jeglicher vernünftiger Grundlage. Es kann nicht sein, daß Gelder für nicht gebaute Parkplätze kas-siert werden, die laut Stadt gar nicht gebaut werden dürfen. Man hat sich scheinbar gedacht, so die Ein-nahmen auf Kosten der Mobilität zu vervielfachen, denn die kommunalen Parkwächter sollen ein wei-teres Mal Kapital aus dem Mangel an Parkplätzen schlagen. Die bereits eingenommenen Gelder aus der Stellplatzbeschränkung müssen außerdem endlich zur Verminderung des Parkdrucks einge-setzt werden. Die angehäuften 115 Millionen sollten sofort für ein Parkleitsystem, P+R Parkplätze und Anwohnergaragen investiert werden. Parkhäuser und Parkplätze haben eine wichtige Funktion auch in Kernbereichen der Stadt.
Bewährte Instrumente, wie die Rechtsabbiegerspu-ren werden für teures Geld sogar zurückgebaut. Hier werden sinnvolle Beschleunigungen des Stra-ßenverkehrs böswillig zerstört, nur weil ein paar Realitätsfremde die Welt nach Ihren verqueren An-sichten gestalten und den Bürgern Vorschriften ma-chen wollen. Zudem ist es an der Zeit, die erfolgrei-chen grünen Rechtsabbiegerpfeile endgültig zu übernehmen. Gleichzeitig bedarf es einer Ein-schränkung des Schilderwaldes.
Moderne Verkehrssteuerungstechniken wie etwa die Grüne Welle, die zur Verbesserung des Ver-kehrsflusses beitragen, fehlen fast komplett. Schließlich trägt die Grüne Welle zu einer Be-schleunigung des Verkehrsflusses und damit zu ge-ringerem Verbrauch, weniger Abgasen und weniger Lärm bei. Viele Ampeln an Kreuzungen mit wenig befahrenen Nebenstraßen könnten überdies in der Nacht ganz abgeschaltet werden und so ohne Ge-fährdung der Verkehrssicherheit zur Verbesserung des Verkehrsflusses beitragen.
Keine adäquate Problembehandlung und –lösung ist ebenfalls beim ÖPNV festzustellen. Der Ver-handlungsspielraum (Druck wg. Verspätungen, zweigleisiger Ausbau, etc.) mit der Bahn wird nicht genutzt. Eine eigene S-Bahn Gesellschaft, die sich zeitnaher und flexibler um die konkreten Probleme bei der Münchner S-Bahn kümmern kann, ist nicht einmal geplant. Es bedarf hier einer Lösung bei der Kapazitäts-erweiterung der Stammstrecke und an-derer jahrelang diskutierter Projekte. Die Menschen erwarten nicht endlose Diskussionen, sondern In-vestitionen.
Eine Preiserhöhung bei gleichzeitiger Leistungsre-duktion, wie zuletzt zu beobachten, setzt zudem völlig falsche Signale. Ziel muß sein, durch ein bes-seres Angebot den ÖPNV attraktiver zu gestalten, um den erhofften Umstieg vom Individualverkehr zu erzielen.
Rot/grün fehlen Visionen: Ude hat unmittelbar nach der Forderung der Münchner CSU zum Einsatz des Transrapid das Gesamtkonzept als „Schnapsidee“ abgekanzelt. Abgesehen davon, daß die neuen Gutachten dies widerlegten, hat Ude dem Standort München erheblich geschadet. 5,1 Mrd. DM Inve-stitionen ungeprüft abzulehnen, ist wahrlich eine unvergleichliche Leistung.
Statt dessen wird das rot/grüne „Zukunftsprojekt“, Ausbau der Straßenbahn, eingeleitet. Die CSU ist hier für die Erhaltung, nicht jedoch für den unge-prüften, überteuerten, unzeitgemäßen und ver-kehrsbehindernden Ausbau. Die Busspuren sind ähnlich einzuschätzen.
Die oftmals militant gegen viele Bürgerinteressen von der Stadtspitze durchgesetzten teuren Fahr-radwege erweisen sich als goldener Schuß ins Knie: Die neuesten Darlegungen des ADFC bewei-sen, was die CSU schon immer gesagt hat: Nicht jeder Fahrradweg muß unbedingt sein. Der ADFC stellt sogar fest, daß Nebenstraßen mit Radweg gefährlicher sind, da Radfahrer öfter übersehen werden.
Die Tunnel am Mittleren Ring müssen fertiggebaut werden. Die Umsetzung des Volksbegehrens muß erfolgen, damit der Bürgerwille, dem die CSU in München zum Durchbruch verholfen hat, schnell umgesetzt werden kann. Die erweiterte Forderung lautet: Vorausschauende Entwicklung weiterer Tunnelprojekte in München. Ziel ist der kreuzungs-freie Ausbau des Mittleren Rings.
Zudem bedarf es der Kapazitätsvergrößerung und Lückenschließung für den Transitverkehr. Der Aus-bau der A99 wurde nach 3 Jahrzehnten und Ableh-nung der SPD erst jetzt vorangetrieben. Hier darf jedoch nicht vergessen werden, daß der Bund sei-ne Zahlungen erst ab 2003 (also in der nächsten Legislaturperiode) leistet und hier Land und Kom-mune einspringen mußten. Ob Rot/Grün nach jah-relanger Schikane der Bevölkerung nun die unter dem Druck der Öffentlichkeit gemachten Zusagen einhält, gilt es abzuwarten.
Straßensanierung und –erneuerung ist in München dringend erforderlich. Teilweise ist es abenteuer-lich, welche Zustände die Fahrbahnen in München aufweisen. Dabei sollte die Stadt zudem einsehen: Den regelmäßigen Sanierungsbedarf zu negieren ist langfristig bedeutend teurer als ein später Neu-bau.
Schließlich ist nicht nachzuvollziehen, warum der Wintereinbruch jedes Jahr das gleiche Chaos ver-ursacht, Schnee sollte in den hiesigen Breitengra-den keine Überraschung sein. Der Winterdienst ist scheinbar in allen Umlandgemeinden möglich, nur nicht in der LH München. Die Verletzungen und Knochenbrüche bei älteren Menschen sowie teure Verkehrsunfälle werden billigend in Kauf genom-men. Hauptsache Rot/Grün handelt, wie immer, ideologisch korrekt.



Joachim Haedke, 21 Juli 2000.


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